Ed Gein – The Wisconsin Serial Killer (In the Light of the Moon)

USA 2000 – Regie: Chuck Parello – Darsteller: Steve Railsback, Carrie Snodgress, Pat Skipper – FSK 18

Edward Theodore Gein – ein wahrlich grauenvolles Kapitel der amerikanischen Kriminalgeschichte. Regisseur Chuck Parello zeichnet in seiner Verfilmung nach einem Drehbuch von Stephen Johnston ein sehr detailgetreues Bild der Ereignisse, die sich in den Jahren 1946 – 1957 im amerikanischen Örtchen Plainfield abspielten, ohne dabei in die Falle zu tappen, das ganze als Horrorfilm aufzuziehen. ED GEIN – THE WISCONSIN SERIAL KILLER ist ein realitätsnaher Thriller mit dramatischen Elementen, der viel zu wenig Aufmerksamkeit beim Filmpublikum bekommt. Ich versuche durch möglichst wenige Spoiler den Reiz zum Anschauen nicht zu schmälern.

Vielleicht liegt es daran, dass das Gespann Parello / Johnston keinen bluttriefenden Slasherfilm zeigt, sondern die Taten häufig nur andeutet, bzw. im Höchstfall recht kurze, dennoch effektive Sequenzen einspielt, in denen viele Dinge der Phantasie des Zuschauers überlassen werden. Denn für ein Horrorpublikum ist der Film nicht gemacht. Vielmehr fokussiert sich die Erzählung dabei auf die psychische Ebene von Mr. Gein und zeichnet dabei ein Bild, das den mentalen Verfall in vielen Facetten zeigt. Sei es nun das gestörte Verhältnis zum gewalttätigen Vater, die Abhängigkeit von einer religiös fanatischen Mutter, die in Kindertagen erlittene Isolation von der Außenwelt oder der Wunsch, im Körper eines anderen Menschen zu stecken. Man geht ansatzweise unter die Oberfläche und zeigt in einer Kombination aus Rückblenden und aktuellen Handlungssträngen die Einflüsse, die letztendlich zu den grausamen Taten geführt haben, die Gein bis zu seiner Festnahme in Jahr 1957 verübt hatte. Dabei ging man auf historischer und biographischer Ebene sehr genau vor, orientierte sich an Tatsachenberichten und stützte sich auf dokumentierte Aussagen des Mörders sowie diverser Quellen aus dem Umfeld von Freunden und Nachbarn. Diese finden sich seit Jahren gut recherchiert in diversen Publikationen, Internet sei Dank fällt es zudem nicht schwer an brauchbare Informationen zu dem Fall zu kommen. Sehr akkurat wurden dabei die Leichenschändungen umgesetzt, mitsamt der Alltagsgegenstände und „Kleidungsstücke“, die Gein aus verstorbenen Frauen hergestellt hatte. Besonders in einer Sequenz – ich nenne sie den „Tanz im Mondschein“ war ich doch ein wenig schockiert. Es schwingt ein ungutes Gefühl mit, wenn man bedenkt, dass dies kein fiktives Werk eines Horrorautors ist, sondern sich tatsächlich so ereignet hat. Schrumpfköpfe, eine Sammlung von Nasen, Vaginas … da wird einem ganz anders. Ein weiterer positiver Aspekt – man hat glücklicherweise nicht das Gerücht ausgeschlachtet, Gein sei Kannibale gewesen. Zwar kommen im Film die Funde der Polizei vor, die darauf deuten könnten – ein Herz in einer Bratpfanne – nachweisen konnte man dies Gein jedoch nie.

ACHTUNG SPOILER – SPOILER ENDET AM ENDE DES ABSATZES.

Natürlich braucht man ein gewisses Maß an künstlerischer Freiheit. Denn das Medium Film soll in erster Linie unterhalten und keine zusammenhangslose Aneinanderreihung von Fakten sein. Ein roter Faden gehört einfach dazu. Diese Abweichungen von den gegebenen Tatsachen behalten immer den wahren Kern im Hinterkopf, sodass hier nichts konstruiert oder erfunden wurde, was den Grundton dieses Werkes zerstören würde. Meist bezieht sich dies auf zeitliche Abläufe, bei den Morden auch auf die faktischen Abläufe, die im Rahmen der Handlung weitaus schneller und in Teilen leicht verändert vonstattengehen, als es in der Realität der Fall war. So lagen zwischen den Morden der Barkeeperin Mary Hogan und der Ladenbesitzerin Bernice Worden ganze drei Jahre. Im Film ist diese Spanne deutlich kürzer. Der Mord an Hogan weist einen größeren Unterschied zum wirklichen Ablauf auf, gibt aber einen interessanten Einblick in seine Denkweise, die dokumentarisch durch ein psychologisches Gutachten belegt ist. Gein tötete die Dame bereits ihn ihrer Kneipe und nahm den Leichnam mit zu sich nach Hause. Im Film stirbt Hogan erst im Farmhaus, nachdem er sie dort ans Bett fesselt und verspricht sich gut um sie zu kümmern. Sein finaler Mord an Bernice Worden ist dagegen sehr genau umgesetzt und unterscheidet sich lediglich in zwei Punkten. Erstens in dem Punkt, wer die Leiche auf dem Grundstück des Killers entdeckt und zweitens darin, dass die Dame im Film auf Wunsch der Hinterbliebenen in Collette Marshall umbenannt wurde. Ein weiterer Mord, der an Edwards Bruder Henry, offenbart Ed im Film eindeutig als den Täter. In der Realität wurde dies allerdings nie nachgewiesen und nicht strafrechtlich verfolgt, obwohl er sich sehr verdächtig verhielt und Dinge wusste (Fundort der Leiche), die nur der Killer selbst wissen konnte. Dramaturgisch passt das aber sehr gut.

SPOILER ENDE

Dass das Ganze so gut funktioniert, liegt nicht zuletzt daran, dass die beiden Hauptpersonen des Films, gespielt von Steve Railsback und Carrie Snodgress, sich hervorragend in ihren Rollen präsentieren und einem das Gefühl vermitteln, als würde man wirklich Mama und Sohn Gein vor sich haben. Die teils kreative Art, bekannte Fakten ohne abzuschweifen in die Haupthandlung zu integrieren ist als gelungen anzusehen. Diese werden als Visionen, Tagträume und Stimmen im Kopf Geins präsentiert und geben Aufschluss über prägende Erlebnisse mit den in der Konsequenz daraus resultierenden Psychosen. Ein weiterer Pluspunkt sind die überzeugend stimmigen Sets. Das verfallene und vermüllte Farmhaus, die kleine Ortschaft mit knapp 600 Einwohnern, die ländliche Einöde, Fahrzeuge … Wir befinden uns definitiv in den 1950ern. Mit viel Liebe zum Detail erlebt der Zuschauer eine atmosphärische Zeitreise, deren kleines Budget lediglich an den verwendeten Kameras auffällt. Schon im Vorspann wird damit begonnen. Wir sehen Ausschnitte aus Interviews mit der Nachbarschaft, die kurz nach der Verhaftung geführt worden. Diese sind nicht inszeniert und sind gerade deshalb so effektiv. Auch im Abspann greift man auf originales Material zurück und rundet den Film damit perfekt ab.

Raum für Kritik darf und muss allerdings auch gegeben sein. Denn so gerne ich diese Verfilmung mag, perfekt ist sie nicht. Gerade weil ich seit Jahren über diesen faszinierenden Fall recherchiere und sehr viel zu den Vorgängen gelesen, gesehen und gehört habe, drängt sich mir immer wieder ein Kritikpunkt auf. Der Film müsste etwas länger sein. Denn die Handlung vermittelt zwar einen verständlichen Eindruck von dem, was damals gewesen ist, spart sich aber ein paar wichtige Aspekte aus, die dem Charakter Geins noch mehr Tiefe verliehen hätten. So war er ein in der Gemeinde gerne angeforderter Babysitter, der zu Kindern eine sehr offene und freundliche Beziehung hatte. Ein sehr entscheidender Charakterzug, der eine Seite offenbart, die ein eigenes Empfinden für das Gute und Böse, Sympathie und Antipathie an den Tag legt. Denn seine Wahl der Opfer war sehr selektiv, er mordete nicht wahllos und außerhalb eines bestimmten Typus. Auch verkroch er sich nicht durchweg in seinem Haus, sondern ging diversen kleinen Tätigkeiten nach, um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Aus diesen Gründen wurde er von seinen Mitmenschen zwar als Sonderling, aber auch als „netter Kerl“ beschrieben. Der Grund, warum er seine Taten über solch einen langen Zeitraum unentdeckt durchführen konnte. Das geht ein wenig unter, auch wenn im Verlauf der Handlung kurze Szenen gezeigt werden, wie seine Freunde und Nachbarn mit ihm umgehen. Es hätte ruhig mehr davon geben können, da die Charakterisierung zeitweise sehr auffällig auf Defizite ausgelegt ist, sodass man ihn zu sehr in die „creepy“ Ecke steckt. Kann man so machen, drückt dem Zuschauer jedoch leider eine Marschrichtung ins Gesicht, die man dann permanent vor Augen hat.

Auch zur Veröffentlichung gibt es einen kleinen Dämpfer. Der Film hat bis zum heutigen Tage keine Auswertung auf Blu-ray erfahren dürfen. Das deutsche DVD Release von e-m-s stammt aus dem Jahr 2002 und wurde seitdem nicht neu aufgelegt. Dafür muss man zum Glück nicht tief in die Tasche greifen. Um die fünf Euro sollte euch eine Scheibe kosten. Das Bild ist ausreichend scharf, etwas zu dunkel geraten, aber immerhin anamorph und recht sauber. Der Ton liegt in Stereo und in einer ordentlichen 5.1 Abmischung vor. Ein paar nette Extras in Form von Interviews und Biografien gibt es obendrauf.

Für diesen Film wünsche ich mir, dass ihn sich mehr Leute ansehen sollten. Parello, ein Routinier des Genre (HENRY – PORTRAIT OF A SERIAL KILLER, THE HILLSIDE STRANGLER), hat einen soliden Film abgeliefert, der sehr tief in der Realität verwurzelt ist. Auch wenn dies Horror- und Slasherfans abschrecken mag, gerade durch die enge Anbindung an die bekannten Fakten ist ED GEIN – THE WISCONSIN SERIAL KILLER auf seine ganz eigene Art verstörend. Alleine schon wegen der sehr authentischen Performance von Steve Railsback, der beim Sitges Filmfestival 2000 und dem Fantafestival 2001 mit der Auszeichnung als bester Hauptdarsteller geehrt wurde, eine Sichtung wert. Genau SO habe ich mir Ed Gein immer vorgestellt.

Solltet ihr doch mehr auf eine Slashervariante stehen, ja, es gibt sie. 2007 erschien ED GEIN – THE BUTCHER OF PLAINFIELD mit Kane Hodder in der Hauptrolle. Da bekommt ihr dann einen muskulösen Riesen, der sich quer durch die Nachbarschaft schnetzelt. Das komplette Gegenteil vom echten Eddie Gein. Eine stark von Gein inspirierte Geschichte erschien 1974 unter dem Titel DERANGED. Darin geht es um „Ezra Cobb“, der im Grunde dem Killer aus Wisconsin nachempfunden ist, jedoch eher einen Hang zu Nekrophilie hat und vollständige Leichen in seinem Haus aufbewahrt.

US-Trailer:

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