Sequel (s)hits? – Texas Chainsaw Massacre – The Next Generation (Die Rückkehr)

USA 1994 – Regie: Kim Henkel – Darsteller: Matthew McConaughey, Renée Zellweger – FSK 18

Und wieder eine neue Rubrik. Hier wird es um Sequels gehen, die bei den Zuschauern aus verschiedenen Gründen umstritten sind. TEXAS CHAINSAW MASSACRE – THE NEXT GENERATION ist so ein Kandidat. Der bereits 1994 gedrehte vierte Teil der Reihe um die ratternde Kettensäge erfuhr erst einige Jahre später eine Veröffentlichung für die breite Masse. Er kam nicht gut an. Die häufigsten Kritikpunkte: Leatherface als Transvestit, unblutige Kills, (un)freiwilliger Humor, die Illuminati … Ich selbst habe den Film in meiner Jugend direkt nach dem ersten Teil gesehen und fand den nie so mies, wie immer behauptet wurde. Vergangene Woche gab es nach Jahren ein Wiedersehen. Ich finde ihn immer noch nicht schrecklich.

Achtung! Dieser Artikel beinhaltet Spoiler!

Das TCM Franchise hatte es nie leicht. Licht und Schatten lagen selten so nah beieinander. Tobe Hooper schuf 1974 einen zeitlosen Klassiker des Terrorkinos, war Wegbereiter des modernen US-Slashers und bannte schräge Charaktere auf Zelluloid, die dem Zuschauer in den Hirnwindungen hängen blieben. Schon das 1986er Sequel ist bei Fans nicht unumstritten. Der Wandel zu einer rabenschwarzen Satire, bei der eher ein komödiantischer Aspekt die Handlung bestimmt, war und ist nicht jedermanns Geschmack. 1991 ging man „Back to the Roots“ und präsentierte den dritten Film deutlich stärker als etwas, das dem Original nahekommt. Dann kam THE RETURN OF THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE, wie der Film vor seinem weltweiten Release genannt wurde. Vom Zuschauer häufig als schlechtester Film des Franchise, gar als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten bezeichnet, hat der vierte Film der Reihe nur wenige Fans, die ihn nicht als Totalabsturz betiteln. Ich bin einer davon.

Die Vorzeichen standen nicht schlecht. Kim Henkel, als Produzent und Drehbuchautor an der Entstehung des kultigen Erstlings beteiligt, hatte die Vision, eine zeitgemäße Neuauflage des Evergreens zu präsentieren, die zugleich Sequel, Hommage und Remake sein sollte. Die 1990er Jahre waren angekommen. Teenager amüsierten sich zu seichten Shows wie „Beverly Hills 90210“ und „Melrose Place“, das Slasher Genre stand auf wackeligen Füßen. Jedes große Franchise hatte mit finanziellen Einbußen und halbgaren Fortsetzungen zu kämpfen. Im Grunde war der Drops gelutscht.

Vier junge Leute geraten in der Nacht ihres Abschlussballs, ausgelöst durch einen Streit zwischen Barry (Tyler Cone) und seiner Freundin Heather (Lisa Newmyer), in einen Autounfall mitten in der texanischen Einöde. Jenny (Renée Zellweger) und Sean (John Harrison) befinden sich zufällig in dem Auto, da sie auf der Rückbank heimlich gekifft haben. Nach dem Crash entsteigt dem anderen beteiligten Auto ein junger Mann (Vince Brock), der noch „Ich lebe noch“ sagen kann, bevor er zusammenbricht. Auf der Suche nach Hilfe trifft die Gruppe auf Darla (Tonie Perensky), die ihren „Bekannten“ Vilmer (Matthew McConaughey) zur Unfallstelle schickt. Was der dort wartende Sean nicht weiß – Vilmer gehört der „Slaughter“ Familie an, die in einem abgelegenen Haus abseits der Hauptstraße lebt. Wer sonst zu dieser Familie gehört? Sexbombe Darla, Philosoph W.E. (Joe Stevens), Grandpa (Grayson Schirmacher) und der unheimliche „Leatherface“ (Robert Jacks), der sich mit Vorliebe in die Haut getöteter Damen kleidet und Besucher mit seiner ratternden Kettensäge verfolgt. Eine Nacht voller Schrecken beginnt.

Eine „Dark Comedy“ hatten die Macher angepeilt. Stilecht, mit schamlos überzeichneten Jugendlichen, überdrehten Psychopathen und einem sexuellen Unterton, angereichert mit toxischer Männlichkeit, der sich als roter Faden durch die Geschichte ziehen sollte. Der bereits 1994 gedrehte Film erfuhr erst Jahre später eine flächendeckende Veröffentlichung, da sich zunächst kein Verleih fand, bevor Columbia TriStar sich dem Werk annahm. Dort setzte man zunächst einmal die Schere an und erleichterte den Film um einige Minuten. Mit diesen Schnitten hatte Regisseur Henkel nichts zu tun, der Verleih begründete die Kürzungen damit, ein R-Rating erreichen zu wollen. Dieser Umstand macht keinen Sinn. Denn das, was in der Kinofassung fehlt, hat nichts mit Gewaltdarstellungen zu tun. Es sind reine Kürzungen von Handlung und Dialogen. Eine Szene, die direkt zu Beginn des Films den Charakter von Jenny vorstellt, wurde dabei auf dem Schneidetisch entfernt. In der Kinofassung macht sich Jenny für den Abschlussball fertig, man hört im Off eine kurze Diskussion zwischen ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Es klingelt, Sean holt sie ab und wir befinden uns bereits auf dem Abschlussball. In der Langfassung (mittlerweile auch in Deutschland auf Blu-ray erhältlich) ist diese Szene deutlich länger und bereitet auf die Ereignisse vor, die Jenny im Laufe der kommenden Nacht durchmacht. Man sieht, wie ihr Stiefvater sexuell übergriffig wird. Dabei schüchtert er sie mit psychologischen Tricks und Drohungen ein, sodass sie ihrer Mutter nichts davon erzählt, da sie Angst hat, er könnte ihr körperliche Gewalt antun. Erst dann klingelt Sean an der Tür. Dieser Schnitt sorgt dafür, dass die Entwicklung von Zellwegers Figur im Laufe der Handlung viel an Effektivität einbüßt und dass das Finale noch weniger Sinn ergibt, als es das sowieso schon tut. Darauf gehe ich später im Artikel noch ein.

Eine fehlende Szene macht jedoch keinen ganzen Film kaputt. Die Liste der Probleme ist lang. Diese beginnen im ersten Drittel der Handlung. Es ist offensichtlich, dass die Macher ihre Figuren bewusst überzeichnet darstellen wollten. Im Falle unserer Protagonisten geht das so weit, dass sie jedes Klischee bedienen, das einem in Slasherfilmen begegnet. Es gibt den dauergeilen Schönling (Barry), den schüchternen Außenseiter (Sean), das attraktive Dummerchen (Heather) und die graue Maus (Jenny). Im Falle von Jenny ist das völlig okay. Sie wird direkt zu Anfang als das „Final Girl“ kenntlich gemacht, das durch die Handlung führen und einen persönlichen Wandel erfahren soll. Sie ist schüchtern, unsicher, lieb und sieht im Leben keinen Sinn darin, sich nur für Spaß auf der Matratze zur Verfügung zu stellen. Sie glaubt an ein gutes Leben, mit Liebe und Verständnis, mit Wertschätzung und Respekt. Durch ihre Erfahrungen in ihrer eigenen dysfunktionalen Familie, was der Zuschauer durch oben beschriebenen Handlungsschnitt der Kinofassung natürlich nicht weiß, möchte sie ein anderes und besseres Leben führen. Ohne Angst und Unterdrückung. Und die anderen? Pures Kanonenfutter und dabei so spannend, wie Blut beim Trocknen zuzusehen. Diese blassen Figuren sollen witzig wirken, nerven im Endeffekt aber nur. Zu verdanken ist das nicht nur ihrer eindimensionalen (nicht vorhandenen) Tiefe, auch die Art, wie sie gespielt werden, spottet jeder Beschreibung. Dass man in den ersten 25 Minuten nicht sofort abschaltet, ist einzig und allein Zellweger zu verdanken.

Danach wird es deutlich erträglicher. Den Kopf der Familie, Vilmer, hat man schon eindrucksvoll kennengelernt. Ein wahres Highlight des Films. Matthew McConaughey gibt in dieser Rolle wirklich alles. Ein bedrohlicher und eiskalter Mörder, dessen verquere Weltanschauung spätestens ab dem Moment deutlich wird, wenn die Story ins Haus der Familie Slaughter, so hießen sie auch im 1974er TCM, verlagert wird. Die Sippschaft von Psychopathen ist im Zusammenspiel das Zugpferd dieses Streifens. McConaughey tut sich da besonders hervor. Er scheint das Drehbuch um seine Figur regelrecht inhaliert zu haben. Im totalen Overdrive liefert er eine Performance ab, die selbst den Fan-Liebling „Chop Top“ aus dem zweiten Film wie ein wimmerndes Waisenkind wirken lässt. Schade ist allerdings, dass W.E., an sich durch seine pseudo-philosophische Art ein interessanter Antagonist, zu wenig Screentime und Gewicht in der Story bekommt. Auch Darla, bei der man sich zunächst denkt, dass sie unnötig wie ein Kropf ist, entpuppt sich als unterhaltsam. Im Grunde ist sie nicht wirklich böse, sondern steht unter dem manipulativen Einfluss Vilmers. Was sie tut, tut sie aus Angst vor ihm. Eine Parallele zu Jenny, die durchaus so gewollt war.

Zu diesem Zeitpunkt haben Sean und Barry bereits das Zeitliche gesegnet. An dieser Stelle sage ich kurz etwas zu den Kills im Film. Ein häufiger Kritikpunkt, da diese allesamt unblutig ausfallen und außerhalb des Sichtfeldes des Zuschauers vollzogen werden. Ich sehe das als positiven Aspekt. Denn genau das hat mich im Original schon begeistern können. Statt immer voll mit der Kamera draufzuhalten, wie es in TCM 2 und 3 der Fall war, appelliert man hier an die Fantasie des Zuschauers, der sich zu den Schreien, dem Knacken von Knochen und matschigen Geräuschen selbst ein Bild von dem machen darf, was dort gerade passiert. Sehr schön – Henkel hat dabei die volle Bandbreite einer Hommage an vergangene Zeiten abgespult. Es gibt u.a. ein Wiedersehen mit dem ollen Fleischerhaken, der Kühltruhe, den morbiden Gegenständen … Die Dinnerszene, fester Bestandteil eines jeden klassischen TCM-Films, kommt auch hier wieder vor. Und sie funktioniert hervorragend. An dieser Stelle erreicht THE NEXT GENERATION seinen Höhepunkt. Spannend, überdreht, verstörend. So muss es sein.

Die Entwicklung der Hauptfigur Jenny wird im Zuge dieser Handlungsabschnitte sehr überzeugend rübergebracht. Im Grunde erfährt sie im Haus der Slaughters genau das, was ihr auch in ihrem eigenen Zuhause das Leben schwer macht. Machtausübung, körperliche Gewalt, sexuelle Übergriffe. Wenn man so will, ist Vilmer die Person, die dieselben Verhaltensweisen, natürlich in höherer Potenz, wie ihr Stiefvater an den Tag legt. Zunächst lässt sie sich davon verstören und verängstigen, entwickelt jedoch einen großen Überlebenswillen und lehnt sich dagegen auf. Zunächst durch mehrere Fluchtversuche, dann damit, dass sie ausdrücklich klarmacht, dass sie sich sowas nicht länger antun wird. Sie beginnt sogar den psychopathischen Haufen zu verspotten und trifft sie damit genau dort, wo es ihnen weh tut.

Wo Licht ist, ist leider auch Schatten. Durch den einleitenden Teil des Films, der eine ganz andere Grundstimmung vermittelt hat, stellt sich kein durchgängiger roter Faden ein. Es wirkt so, als hätte man zwei völlig verschiedene Grundideen gehabt und diese einfach aneinandergereiht. Der teils infantile Humor und die völlig überzogene Dämlichkeit mancher Szenen des einleitenden Parts, ich erwähne hier am Rande die Szene, in der Darla mit Jenny im Kofferraum Pizza holen fährt, hätte man sich sparen sollen. Zu sehr ins Detail zu gehen, würde mir fast physische Schmerzen bereiten. Um es kurz zu machen – das war das dämlichste, das ich je in einem Slasher sehen musste. Die Handlung sollte an dieser Stelle wohl lustig wirken, sorgt aber nur für Kopfschütteln.

Für Kopfschütteln sorgt leider auch das Finale. Ein mysteriöser Herr taucht auf, faselt etwas von Angst und Schrecken und pflaumt Vilmer an, der daraufhin komplett durchdreht. Jenny flieht, es gibt eine Verfolgungsjagd durch Leatherface, die wieder eine tolle Hommage an den Hooper Klassiker ist, Jenny wird durch den mysteriösen Fremden „gerettet“. Ende. Na ja, fast. Es gibt noch eine tolle Finale Szene, in der Marilyn Burns, Paul A. Partain und John Dugan sich die Klinke in die Hand geben. Der ultimative Fanservice für Franchise Verehrer. Das Ganze lässt einen trotzdem ziemlich ratlos zurück. Zwar begreife ich, was Henkel da versuchen wollte, nämlich dass es eine Geheimorganisation gibt, deren Ziel es ist, den Menschen Angst und Schrecken bewusst zu machen, doch die Hinweise darauf, die sind einfach zu dünn gesät, als dass man die Zusammenhänge wirklich begreift. Dabei wäre die Eingangsszene (die, die der Schere zum Opfer fiel), hilfreich gewesen. Sie klärt zwar nicht auf, gibt aber einen klaren Hinweis darauf, welche Angst gemeint ist und warum Vilmer sein Ziel verfehlt hat. Vilmer macht, was Vilmer will. Und nicht das, was er machen soll.

Und nun, worauf ihr alle gewartet habt. Was ist mit dem Star der Show? Was ist mit Leatherface? Tja, der ist hier gar nicht der Star der Show. Er killt noch nicht mal jemanden mit seiner Kettensäge. Kritiker lachen gerne über diese Darstellung des texanischen Massenmörders. In THE NEXT GENERATION sehen wir den geistig zurückgebliebenen Sägeschwinger ausschließlich in weiblicher Gesichtsmaske, passende Kleidung und Manieren inklusive. Er ist schrill, laut, schreckhaft und weinerlich. Gerne lässt er sich durch Drohungen einschüchtern. Aber wehe, wenn er losgelassen. Robert Jacks füllt die Rolle mit einer Gewalt, die einfach Spaß macht. Er ist groß, bullig, stark und schnell. Die perfekte Frau für die dreckigen Jobs. Wenn er Gas gibt, dann gibt es nichts und niemanden, das ihn stoppen kann. Nein, das meine ich NICHT ironisch. Von allen Darstellern der klassischen Reihe, die in die Rolle des Leatherface schlüpften, rangiert Jacks in meiner Rangliste auf dem zweiten Platz. Er verkleidet sich nicht nur, er schlüpft in die Rollen, die mit jeder Maske und Verkleidung eine andere Persönlichkeit zutage fördern. Keine Kopie eines Vorgängers, eine ganz eigene Interpretation. Dass das nicht viele so sehen, das ist mir klar. Aber das macht nichts. Ich sehe ihn, im übertragenden Sinne, ein wenig wie die Verbildlichung von Jennys Mutter (fehlende Szene in der Kinofassung). Hörig, unterdrückt und nicht in der Lage, sich gegen andere aufzulehnen, weshalb die Rolle als „devote Frau“ die ist, die für ihn den wenigsten Stress bedeutet.

Unterm Strich ist TEXAS CHAINSAW MASSACRE – THE NEXT GENERATION kein wirklich guter Film. Weder in der weit verbreiteten Kinofassung, noch im Director’s Cut. Doch er ist auch weit entfernt davon, der Totalausfall zu sein, zu dem ihn Leute gerne machen. Der stimmungsvolle Mittelteil täuscht zwar nicht über den nervig dämlichen Anfang und das haarsträubende Finale hinweg, zeigt aber, dass man mit einer konsequenten düsteren Stimmung und einem roten Faden, deutlich mehr Sympathiepunkte hätte holen können. Zellweger, McConaughey, Joe Stevens und Robert Jacks spielen stark in ihren Rollen. Alleine dafür lohnt sich ein Anschauen des Streifens. Besonderes Leckerchen sind die Anspielungen auf den Klassiker aus dem Jahre 1974. THE NEXT GENERATION ist in der Kinofassung ungeschnitten in Deutschland auf DVD und Blu-ray erhältlich, in der Langfassung im Mediabook auf Blu-ray. Wer günstig an den DC kommen will, dem sei die kanadische DVD ans Herz gelegt, die allerdings ohne deutschen Ton auskommen muss. Die deutsche Synchro ist übrigens sehr gut geworden und beherbergt eine lange Liste namhafter Sprecher.

Wir sehen uns zum nächsten Sequel (s)hit!

US-Trailer:

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