TV-Schau: Die Heimsuchung

D 2021 – Regie: Stephan Rick – Darsteller: Kostja Ullmann, Kristin Suckow, Urs Rechn – Degeto Film

In der neuen Kategorie „TV-Schau“ werden Filme besprochen, die von und für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten produziert worden sind. Denn es gibt nicht nur eine unendliche Flut an seichten Romanzen, Komödien und den Drölfzigtausendsten Tatort, nein, so manches Mal versteckt sich ein wahres Schätzchen unter der Schwemme der deutschen TV-Produktionen. So auch der hier vorliegende Thriller „Die Heimsuchung“, der mit interessanten Twists und Turns einem dunklen Geheimnis der Vergangenheit auf die Spur kommt. Den Link zum Film (Mediathek) gibt es im Artikel!

Immer wieder wird über den Umgang mit unseren gezahlten GEZ-Gebühren gemeckert. Mögen viele, meine Wenigkeit eingeschlossen, die Zwangsabgabe an die Sendeanstalten als unnötigen Blödsinn abtun, so bringen die dort produzierten Filme doch so manches Mal eine kleine Perle hervor, die für einen unterhaltsamen Abend genügt. Bei dem hier vorliegenden Thriller DIE HEIMSUCHUNG hat Drehbuchautor Thorsten Wettcke eine spannende Story geschrieben, die von Regisseur Stephan Rick in ansprechenden und bizarren Bildern umgesetzt wurde. Da ist es schon fast schade, dass dieses Werk am Kollektivbewusstsein der Filmfans größtenteils vorbeirutschen wird. Aber dafür gibt es ja die MovieMottenkiste. Den Link zum Film in der Mediathek (DasErste) findet ihr am Ende des Artikels, sodass ihr dem Werk eine Chance geben könnt, wenn ihr mögt.

Die Story dreht sich um den BKA-Beamten Ben (Kostja Ullmann), der nach einem missglückten Einsatz, bei dem die kleine Lara (Luise Kretschmer) getötet wurde, ins Koma fällt. Als er aufwacht, erscheint ihm das Mädchen immer wieder in Visionen und möchte ihm etwas mitteilen. Um die traumatischen Ereignisse zu vergessen, reist er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Marion (Kristin Suckow) zu seinen Eltern in seine alte Heimat. Doch auch dort kommt er nicht zur Ruhe. Die Geister der Vergangenheit holen ihn ein, als er erfährt, dass sein Freund aus Kindheitstagen, Timmi, nicht bei einem tragischen Unfall verstarb, sondern seitdem in einem Wachkoma lag. Seine Partnerin, die zugleich Ärztin ist, möchte Ben dabei helfen, das Geheimnis um den damaligen Zwischenfall aufzuklären, da sich weder seine Eltern noch Freunde und Nachbarn aus seinem Heimatort dazu äußern wollen. Auch Lara taucht wieder auf und führt Ben in die Abgründe einer Vergangenheit, die ihm bis dahin fremd war.

Ein guter Thriller braucht einen stetigen Spannungsbogen, der in einem nervenaufreibenden Finale endet. Und genau das ist den Machern und Beteiligten auf ganzer Linie gelungen. Über die gesamte Laufzeit von knapp 90 Minuten versprüht DIE HEIMSUCHUNG eine geheimnisvolle und düstere Atmosphäre, die keinen Raum für Heiterkeit lässt. Dabei wird stetig an dem Weg zur Auflösung gearbeitet. Dem Zuschauer werden permanent Bröckchen zugeworfen, die zunächst unwichtig und / oder wirr erscheinen, sich dann aber zu einem logischen Gesamtbild zusammenfügen. Denkste! Gerade wenn man sich sicher ist die Zusammenhänge verstanden zu haben, ja, fast schon glaubt man kenne die „Lösung“, dann hat das Gespann Rick / Wettcke einem einen Twist um die Ohren, der die Uhren auf null stellt, um einen weiteren Lösungsansatz zu bieten. Zu diesem Zeitpunkt ist man sich beim Anschauen unsicher, ob man der geschickt konstruierten neuen Fährte folgen sollte, oder eben nicht. Auch wird hier so geschickt mit der Wahrnehmung des Protagonisten gespielt, dass man sich vor dem Fernseher selbst die Frage stellen muss, was real ist und was nicht. Im letzten Drittel kommt ein erlösendes „Aha“ Erlebnis, das einem auf diese Fragestellung eine Antwort gibt, doch dann dreht man noch einmal richtig auf, sodass die endgültige Auflösung zumindest bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Ich saß grinsend auf dem Sofa und dachte mir: „Das war clever gemacht!“.

Ein großes Lob gebührt den Darstellern. Ullmann trägt den Film in vielen Sequenzen komplett alleine und das macht er hervorragend. Er füllt seine Figur mit Leben und stellt sehr überzeugend den Kampf eines Menschen dar, der mit traumatischen Erlebnissen klarkommen muss und dabei in einem Umfeld lebt, dass sich nicht klar als Freund und Feind, ehrlich und unehrlich definiert. Ein kleines Highlight sind Martin Feifel und Deborah Kaufmann, die im Film Bens Eltern darstellen. Ihr spielt überzeugt als Ehepaar, bei dem nicht klar ist, welche Absichten sie verfolgen. Wollen sie ihren Sohn vor weiterem Schaden bewahren, hüten sie ein dunkles Geheimnis oder haben sie etwas ganz anderes zu verbergen? Genau so muss in einem Thriller gespielt werden. Keine schwarz-weiße Charakterisierung, die einem gleich klarmacht, wer Freund und wer Feind ist. All diese Figuren agieren in einer Umgebung, die mindestens genauso trostlos ist, wie die erzählte Geschichte. Von Dorfromantik, die ländliche Gegenden normalerweise versprühen, ist hier wenig zu spüren. Die Einöde wirkt kalt und wenig einladend, wie das Tor zu einer dunklen Dimension, in der die Kälte den Sonnenschein aufzufressen scheint. Stimmige Sets, insbesondere im Finale, unterstützen diesen Eindruck perfekt. Kalt, beängstigend, teils verstörend. Atmosphärisch präsentiert sich auch die Musik aus der Feder von Enis Rothoff und unterstreicht perfekt die eingestreuten Mystery- und Gruselelemente, die sich durch DIE HEIMSUCHUNG ziehen.

Hier stünde jetzt normalerweise eine lange Reihe an Kritikpunkten. Ja, im hier vorliegenden Film ist natürlich nicht alles perfekt, doch halten sich meine negativen Eindrücke in einem übersichtlichen Rahmen. Der Umgang mit dem Themen Koma und Wachkoma ist medizinisch gesehen natürlich Nonsens. Daran mögen sich einige Leute stören. Da ich durch meinen Job ein wenig in die Materie involviert bin, dachte ich für einen kurzen Moment, dass man sich hier weit aus dem Fenster gelehnt hat. Auf der anderen Seite ist DIE HEIMSUCHUNG ein Thriller mit übernatürlichen Elementen, da kann man auch mal beide Augen zudrücken. Ein wenig mehr Tiefe hätte ich mir bei einigen der Charaktere gewünscht. Insbesondere bei der Familie von Timmi. Sein Vater und seine Schwester werden in der Geschichte zwar häufig erwähnt und gezeigt, ihre Rolle in den gezeigten Ereignissen hat eine eindeutige Signifikanz, die jedoch recht oberflächlich bleibt. Hier hätte ich gerne mehr erfahren und mehr gesehen. So wirken auch gewisse Aspekte der Story zu vage und hinterlassen bei mir eine Neugier, die nicht befriedigt wird. Dies schreibe ich dem Umstand zu, dass man einen Abendfilm für die Dritten ja zu 90 % auf 1 1/2 Stunden beschränkt, da dies die gewohnte Länge ist.

Schade ist es natürlich auch, dass es keine Veröffentlichung auf DVD oder Blu-ray gibt. Denn gerade, wenn man einen mehr als soliden TV-Film hat, dann muss der doch als positives Beispiel in möglichst viele Heimkinos wandern. Ich wage sogar zu behaupten, dass man das Ding mit etwas mehr Tiefe (siehe oben), mehr Budget und ein wenig mehr Laufzeit locker ins Kino hätte bringen können. Deshalb lege ich meinen Lesern nahe, sich den Film in der Mediathek anzuschauen. Siehe hier:

Die Heimsuchung online ansehen

DIE HEIMSUCHUNG ist eine positive Überraschung im überladenen TV-Film Segment. Spannend erzählt, toll gespielt, angereichert mit Grusel- und Mysteryelementen, überzeugt das Endprodukt als sehenswerte Abendunterhaltung. Thrillerfans riskieren auf jeden Fall einen Blick und erfreuen sich an einer interessanten Geschichte mit unerwarteten Wendungen. Davon darf es in Zukunft gerne mehr geben. Natürlich werde ich versuchen, die „Perlen aus der Jauchegrube“, die sich öffentlich-rechtliches Fernsehen nennt, hier vorzustellen. Ein guter Start ist mit diesem Artikel gemacht.

Zurück zur Startseite

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert